Gedenkveranstaltung vom 06.04.2021: Rede von Kostas Kosmas

Foto: Enno Hurlin; Kostas Kosmas

Der Kreisvorsitzende von Bündnis90 / Die Grünen Steglitz-Zehlendorf
zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag
„80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland“

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte uns die Griechische Gemeinde ihre Räume zur Verfügung gestellt für eine Veranstaltung über die Frage der Kriegsreparationen. Damals waren dabei neben mir, der ich als Vorsitzender der Grünen in Steglitz-Zehlendorf die Veranstaltung mitorganisieren durfte, auch die Bundestagsabgeordnete Lisa Badum und Hilde Schramm von Respekt für Griechenland, die Hauptorganisatorin. Der Dank an die Griechische Gemeinde und an Respekt für Griechenland kann nicht genug sein.

Der Einmarsch Deutschlands in Griechenland jährt sich heute zum 80. Mal. Für drei Jahre versetzten die Wehrmacht, die Gestapo und die SS das Land in Angst und Schrecken, bis sie sich in Oktober 1944 zurückgezogen haben.
Griechenland stürzte direkt nach dem 2. Weltkrieg in den Bürgerkrieg, in die erste Auseinandersetzung des Kalten Krieges. Faschistische Kollaborateure kämpften gegen stalinistische Dogmatiker, linke Idealisten aber auch Bürgerliche wurden aus der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn sie nicht umgebracht wurden. Die Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg dominierte die Erinnerungskultur Griechenlands, der 2. Weltkrieg wurde zu einer großen Erzählung, zu einem Nationalen Epos gegen Italien und zu einem heldenhaften Widerstand gegen die Deutschen. Ich war selber Kind, als in Filmen die Griechen ausschließlich als Opfer oder Helden und die Deutschen schablonenhaft als Biester dargestellt wurden, die „raus“ oder „jawohl, Herr Kommandant“ brüllten. Kein Platz für einen genaueren Blick: Für die „kleinen Menschen“. Die unbekannten Dörfer. Die offenen Rechnungen. Die griechischen Juden.

Das Adenauer-Deutschland und später das des Wirtschaftswunders pflegte wiederum eine Erinnerungskultur des Vergessens. Der Kalte Krieg tat das Übrige. Es mag sein, dass das erste Goethe-Institut in Athen gegründet wurde, doch in jener Zeit wurden Kriegsverbrecher von der Bundesrepublik frei gekauft, oder sie wurden von Griechenland für ein Paar Wirtschaftsverträge freigesprochen. das gemeinsame Interesse galt dem gemeinsamen kommunistischen Feind. Erst mit den Auschwitz-Prozessen und dann der 68er-Generation begann die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Dann lag Griechenland jedoch im Gips einer faschistischen Diktatur. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland fragt sich heute, warum wir uns mit einer so alten Geschichte beschäftigen. Die Antwort liegt in der Geschichte.
Es hat uns so lang der richtige Zeitpunkt und die Gelegenheit gefehlt, um endlich einen offenen Dialog über die Vergangenheit zu führen.

Ich habe so weit ausgeholt, weil ich genau das zeigen wollte: Es gab sehr wichtige Gründe, warum die Auseinandersetzung mit der Kriegsschuld aus dem 2. Weltkrieg heute geführt wird. Und ich bin als Deutscher und als Grieche dem Verein Respekt für Griechenland sehr dankbar für diese Arbeit, speziell Herbert Nebel, Reiner Schiller-Dickhut und, vor allem, Hilde Schramm.
Es liegt nicht zuletzt an ihnen, dass meine Partei B90/Die Grünen Ende März einen Antrag im Bundestag zur Debatte brachte. An einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion ein Jahr davor war der Verein ebenso beteiligt.
In diesem Antrag wird nun auf politischer Ebene diskutiert, was zuvor in der Wissenschaft festgestellt und vor allem von der Zivilgesellschaft und den einzelnen Menschen empfunden wurde: Griechenland litt besonders an der Grausamkeit der Deutschen. Griechenland wurde besonders wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Griechenland wurde besonders mickrig entschädigt beim Pariser Abkommen 1945 und beim Londoner 1952. Zwar forderte das Land auf der diplomatischer Ebene stets sein Recht auf Verhandlung, das war aber, aus den Gründen, die ich am Anfang anriss, untergegangen. Erst die Wiedervereinigung und der 2+4-Vertrag machte das Thema wieder groß. Und jetzt kommen wir zu einem Grünen Antrag im Deutschen Bundestag, der den Anspruch Griechenlands auf Dialog anspricht.
Die Debatte um Reparations- und Entschädigungszahlungen bleiben kontrovers und aktuell, besonders in Griechenland. Nicht nur Hinterbliebene, Nachfahren und Opfergemeinden, sondern auch allgemein viele junge Menschen haben ein neues Bewusstsein für die ungelösten Fragen entwickelt. Ein stärkeres Selbstbewusstsein Griechenlands auf der internationalen Bühne und der wachsende Zweifel an der europäischen Solidarität im Zuge der Euro-Krise haben das Thema zeitweise wieder nach ganz oben auf die innenpolitische Agenda gebracht. Diese, wie auch die früheren Bundesregierungen, betrachtet die Frage als politisch und rechtlich abgeschlossen. Doch juristisch ist die Position der Bundesregierung umstritten, wie aus den Berichten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags ausgeht.
Aber auch das erforderliche Ethos für eine europäisch orientierte Politik macht das Schweigen Deutschlands, die Verweigerung mit einem gleichberechtigten Griechenland darüber zu diskutieren, sehr fragwürdig.
Deswegen ist der Antrag der Grünen, der übrigens von allen anderen Parteien bis auf die Linke abgelehnt wurde, sehr wichtig für die Weichenstellung unserer Politik in der kommenden Legislaturperiode. An dieser Stelle müssen die Grünen Abgeordneten Claudia Roth, Manuel Sarrazin und Lisa Badum namentlich erwähnt werden, die an diesem Antrag gearbeitet haben. Meine Hoffnung ist nun, dass B90/Die Grünen eine verstärkte Position im nächsten Bundestag haben werden, das Thema weiterhin unterstützen und die Deutsch-Griechische Freundschaft dadurch verfestigen.

Denn die Grünen verfallen nicht in Rückzahlungspopulismus, sondern fordern die Regierung auf, Griechenland endlich auf Augenhöhe zu sehen, mit der griechischen Regierung zu diskutieren. Wir Grüne wollen, dass Themen wie die Zwangsanleihe, Erinnerungsprojekte, individuelle Entschädigungen oder die aktive Unterstützung der jüdischen Gemeinden Griechenlands einen neuen, respektvollen Umgang finden! Denn wir setzen auf Dialog und Gleichberechtigung!